Aktueller Futterrat vom 07.06.2013

Hinweise zur Nutzung hochwassergeschädigter Futtermittel

Infolge der Hochwasserereignisse können Futtermittel auf dem Feld, im Lager oder Silo durch direkten Kontakt mit kontaminiertem Wasser bzw. Schlämmen verunreinigt sein oder Futterpflanzen auf dem Feld können Schadstoffe aus dem Erdreich akkumulieren. Dies führt dazu, dass der Futterwert verändert und Gehalt an unerwünschten Stoffen dieser Futtermittel erhöht ist. Der Grad der Futterwertreduzierung und der Kontamination mit Schadstoffen hängt von der Belastung der Fließgewässer und Schlämme ab. Wenn die Unbedenklichkeit nicht garantiert werden kann, ist aus Gründen der Vorsorge für Mensch und Tier, auch im Zweifelsfall, ein Futtermittel von der Verfütterung unbedingt auszuschließen. Sollten Futtermittel durch die Hochwassereinwirkung sensorisch nachweislich verunreinigt worden sein, sind sie grundsätzlich fütterungsuntauglich. Nur Untersuchungsbefunde können hier eine Belastung mit Schadstoffen sicher ausschließen.

Unerwünschte Stoffe nicht auszuschließen

Nach dem Elbehochwasser 2002 wurden insbesondere erhöhte Konzentrationen an Dioxinen, Schwermetallen, Pflanzenschutzmitteln, Quecksilber, Nitrat-Stickstoff, Polychlorierte organische Verbindungen (PCB), Mineralölkohlenwasserstoffe, Salmonellen und Fäkal-Coli nachgewiesen. Dies bestätigten auch spätere Untersuchungen in den Elbauen von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Eine punktuelle Belastung mit diesen Stoffen kann auch für 2013 nicht ausgeschlossen werden. Gefährdet sind insbesondere Futterflächen, die sich in der Nähe einer der folgenden überfluteten Kontaminationsquellen befanden:

  • Abwassereinrichtungen / Güllegruben / Festmistlager / Dung- und Jauchegruben / Sickersaftgruben / Kompostieranlagen / Klärschlammlager
  • Hausmüll- bzw. Industriemülldeponien 
  • kontaminierte Erden und Sande
  • Düngemittellager / Pflanzenschutzlager / Lager der chemischen Industrie und des Handels
  • Haushaltchemikalien
  • frisch gedüngte, mit Klärschlamm bzw. Pflanzenschutzmitteln behandelte Flächen
  • Mineralöle aus Haushalten und Industrieanlagen
  • Tierkadaver

Welche Untersuchungen sind sinnvoll?

Die Betriebsleiter sind für die Einhaltung der futtermittelrechtlichen Regelungen verantwortlich! Hier schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Sollten Futtermittel durch die Hochwassereinwirkung sensorisch nachweislich verunreinigt worden sein, sind sie fütterungsuntauglich. Die erste Untersuchung sollte immer sensorisch (mittels Sinnenprüfung) erfolgen. Dabei ist zu prüfen, in welchem Maße das Futtermittel durch Wasser oder Schlamm verunreinigt wurde und ob ggf. eine Selektion der kontaminierten Futtermittelpartien möglich ist. Folgende sensorische Parameter sollten unbedingt erfasst werden:

  • optisch sichtbare Verschmutzungen bzw. Beimengungen (z.B. graue bis rötlich braune Oberfläche, ölige Filme auf dem Futter, sandige und erdige Rückstände, Kadaver von Wirbeltieren ...)
  • farbliche und geruchliche atypische Veränderungen  (z.B. faulig, ölig, fäkalienartig, phenolartig ...)
  • untypischer Griff und gestörtes Gefüge (schmierig, ölig, Futtermittel nicht eindeutig identifizierbar, sandig ...)
    Folgende laboranalytischen Untersuchungen für Futtermittel könnten sinnvoll sein. Dabei soll hier nicht auf eventuelle Folgeschäden z.B. durch Verderbnis oder Akkumulation während der Pflanzenernährung eingegangen werden.
  • Untersuchung auf den Rohaschegehalt. Hier soll ermittelt werden, ob eine Kontamination mit Schlämmen, Erden, Sanden u.a. mineralischen Quellen stattgefunden hat.
  • Untersuchung auf Mineralölkontamination. Hier wird empfohlen zuerst sensorische Anzeichen (öliger Geruch, atypische Verfärbung, schmieriger Griff, Löschblatttest) zu suchen und dann den Rohfettgehalt der Futtermittel zu bestimmen. Bei positivem sensorischen Befund oder erhebliche Rohfett-Abweichungen zu den Normalwerten aus Futtermitteltabellen ist das Futtermittel fütterungsuntauglich. In wenigen begründeten Ausnahmefällen könnten Untersuchungen auf Mineralölkohlenwasserstoffe erfolgen.  
  • Untersuchung von Schadstoffen, welche durch Kontamination mit Wasser bzw. Schlämmen ins Futter gelangen konnten. Hier sind folgende, auch futtermittelrechtlich relevanten Stoffe von besonderem Interesse:
    • biotische Parameter : Salmonellen und coliforme Fäkalkeime
    • abiotische Parameter : Dioxine, Pflanzenschutzmittel, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, Nitrat-Stickstoff

Da sich die unerwünschten Stoffe im Boden anreichern können, kann es zu einer Akkumulation von pflanzenverfügbaren Schadstoffen  oder eine Kontamination mit angereicherten Erden kommen. Es ist kann somit auch ratsam sein, die Böden zu untersuchen, um auch für die Folgeaufwüchse die Risiken bewerten zu können.

Der Futterwert ist eingeschränkt

Außer den genannten futtermittelhygienischen Aspekten sind auch Veränderungen im Futterwert der überfluteten Futtermittel nicht auszuschließen. Folgende Faktoren müssen beachtet werden:

  • Infolge der Reduzierung des Trockenmassegehaltes der Futtermittel sinkt die aerobe Stabilität von gelagerten Futtermitteln drastisch. Die Folge ist eine verstärkte mikrobielle Verderbnis (Verhefung, Verpilzung, bakterielle Fäulnis). Dieser Prozess kann nur verhindert werden, indem man dem Futtermittel durch Trocknung das Wasser entzieht oder es milchsauer bzw. mit Konservierungsmitteln versetzt siliert bzw. konserviert.
  • Durch Erhöhung des Rohaschegehaltes infolge Schlammbeimengungen, werden die Energie- und Nährstoffkonzentrationen von Futtermitteln deutlich reduziert. Außerdem ist mit einer verstärkten Imbilance der Mineralstoffversorgung zu rechnen.
    Für gelagerte bzw. konservierte  Futtermittel, die gasdicht konserviert wurden, ist zu prüfen, ob das Wasser in das Silo eindringen konnte. Dies trifft insbesondere für Fahrsilos ohne Sickersaftgruben, Schlauchsilos, Ballensilos, Big-Bags, Tüten oder Säcke aus wasserfestem Material und Hochsilos zu. Besonders gefährdet sind Erdsilos bzw. Freigärhaufen sowie Schüttgut bzw. Trockengrobfutter in Bergeräumen, unter Schleppdächern oder im Freien.
    Außerdem kann es bei langsam abfließendem bzw. stehendem Wasser und den gegenwärtigen Außentemperaturen zu einer Vermehrung unerwünschter mikrobieller Keime kommen.

Futternutzung sensibel beurteilen

Feldfutter bzw. Grünlandaufwüchse sind entweder verschmutzt bzw. kontaminiert oder in ihrem Wachstum geschädigt bzw. stark gestresst. Hier ist von Bedeutung, wie lange und wie hoch die Pflanzen vom Hochwasser bedeckt waren. Wenn ein schneller Abfluss des Wassers möglich war, sind außer Verschmutzungen der Pflanzen (sensorisch an dem grauen abwaschbaren Schmutzfilm auf den Blättern erkennbar) oft keine Schädigungen der wachsenden Pflanze erkennbar. Direkte Kontaminationen mit wasserlöslichen Schlammbestandteilen könnten hier z.B. durch Niederschläge reduziert werden. In eigenen Untersuchungen konnte durch simulierten Regen von ca. 20 mm der Schwermetall- und Dioxingehalt von Maisganzpflanzen um 50 bis 60 % gesenkt werden.  Ölige Kontaminationen auf Futtermitteln müssen zwangsläufig zu einem Fütterungsverbot und Vernichtung des Futtermittels führen, da diese Rückstände nicht abwaschbar sind.

Eine Beerntung von überfluteten Grünlandflächen zur Futtergewinnung bzw. eine Beweidung sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Hier sollte die Zeit genutzt werden um, durch Informationen aus amtlich publizierten Befunden des Fließgewässers bzw. der Schlämme oder selbst veranlasster Untersuchungsergebnisse eine Unbedenklichkeit zu bestätigen. Bei Fragen zur Nutzung der Futterflächen könnte auch eine Beratung mit staatlicher Stellen sinnvoll sein.

Länger überflutete und infolge erstickte Pflanzen (Staunässe > 3 Wochen). sollten schnellstmöglich geerntet werden. Überständige und durch die Überschwemmung stark verschmutzte Grünlandaufwüchse sollten über Kompostierung, Verbrennung oder Biogasanlagen verwertet oder entsorgt werden. Hier muss jedoch auf die aktuelle Rechtsprechung für Düngung, Komposte und Klärschlämme geachtet werden. Eine Siliereignung der Bestände ist oft nicht gegeben, da die Photosynthese und damit das Wachstum der Pflanzen unterbrochen war und infolge den Pflanzen der Zucker fehlt. Außerdem wird durch erhöhte Rohaschegehalte die Pufferkapazität der Pflanzen deutlich erhöht, so dass mehr Milchsäure notwendig ist um einen stabilen pH-Wert in Silagen zu realisieren. Grünlandflächen sollten in jedem Fall sauber beräumt, abgeschleppt und gewalzt werden. Bei der Futterernte ist jegliche Zusatzverschmutzung über Sande und Erden durch geeignete Ernte- und Siliertechniken zu vermeiden. 

Der erhöhte Stress, welchem die Futterpflanzen durch die Überflutung ausgesetzt waren, kann auch zu einem erhöhten Pilzdruck in der geschädigten Pflanze führen. Dies trifft insbesondere auf den Getreide zu. Die Nutzung der überfluteten Getreidebestände als Getreideganzpflanzensilagen ist nicht sinnvoll, da mit einem geringen Kornanteil und einer schlechten Konserviereignung zu rechnen sein wird. Außerdem kann es bei langsam abfließendem bzw. stehendem Wasser und den gegenwärtigen Außentemperaturen zu einer Vermehrung bakterieller Keime kommen.

Aus der Erfahrung der Futtersituation nach den Hochwasser 2002 sollte sich der Tierhalter schnell einen Überblick über seine nutzbaren Grobfuttermittel machen, um gezielt Grobfutter zuzukaufen bzw. Tierbestände ggf. abzubauen.

Ansprechpartner

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 74: Tierhaltung

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel

Telefon: 034222 46-2200

Telefax: 034222 46-2099

E-Mail: Olaf.Steinhoefel­@smekul.sachsen.de

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 74: Tierhaltung

Frank Püschel

Telefon: 034222 46-2211

E-Mail: Frank.Pueschel@smul.sachsen.de

Webseite: http://www.lfulg.sachsen.de

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