Aktueller Futterrat vom 13.04.2016

Der optimale Schnittzeitpunkt für Grasaufwüchse

Der Aufbau blattreicher Pflanzenmasse während der ersten Phase der Pflanzenentwicklung ist durch die Bildung hoher Anteile an Zellsaft gekennzeichnet. Dieser Zellsaft ist reich an Zucker, welcher als Energiequelle für die Pansenmikroben der Wiederkäuer und für die säurebildenden Bakterien bei der Silagebereitung von Bedeutung sind. Außerdem enthält er den Hauptteil an Eiweiß, Mineralstoffen, Vitaminen und Fetten. Mit zunehmender Pflanzenentwicklung nimmt der Gehalt an diesen Stoffen in der Pflanze stark ab, da der Anteil der Blattfraktion an der Gesamtpflanze sinkt während der Stängelanteil deutlich steigt. Durch das einsetzende Streckungswachstum der Zellen und der Gesamtpflanze erfolgt eine verstärkte Synthese und Einlagerung von Zellwandkohlenhydraten (Zellulose bzw. Hemizellulose) in die Zellwände der Stängelfraktion. Mit fortschreitender Entwicklung wird dieser Prozess durch eine Lignifizierung, Verholzung, begleitet. Der Fasergehalt steigt deutlich an. In der Hauptvegetationsphase des 1. Aufwuchses von Gräsern muss mit einem täglichen Zuwachs von 4 bis 6 g Rohfaser und 1 bis 1,5 g Lignin je kg Trockenmasse gerechnet werden. Mit dem steigenden Gehalt an Gerüstsubstanzen wird täglich die Verdaulichkeit und der energetische Futterwert von Gras und Leguminosengrünfutter 1 bis 2 % reduziert.

Optimal zu schneiden heißt im Einzelfall der Zeitpunkt, an welchem das Siliergut und in Folge das Konservat einen Futterwert besitzt, der in der betrieblichen Rationsgestaltung hilft, die Leistungserwartungen zu erfüllen. Je höher die Leistungerwartung in der Milchviehhaltung ist und je höher der Anteil an Grassilage in der Grundration ist, desto geringer muss der optimale Fasergehalt der Grassilage sein (»Qualitätssicht«). Bei sinkenden Maissilageanteilen in der Ration sinkt der zu fordernde optimale Rohfasergehalt in Grassilagen ebenfalls. Im Extremfall kann der optimale Gehalt z.T. auch über 30 % liegen, da hohe Maissilageanteile in der Ration ausgeglichen werden müssen. Da jedoch aus wirtschaftlichen Erwägungen in der Regel hohe Einzeltierleistungen angestrebt werden, muss der optimale Rohfasergehalt der Grassilagen im betrieblichen Grundfutterkonzept genau definiert werden. Er liegt auch bei hohen Maissilageanteilen meist unter 26%. Hier muss jedoch beachtet werden, das der Fasergehalt während der Feldliegezeit, der Ernte und Bergung, bei der Silobefüllung, im Silo und vom Anschnitt bis zum Futtertrog weiter ansteigt, da Atmungs-, Fermentations- Auswaschungs- und Bröckelverluste zumeist die leichtfermentierbaren Nährstoffe der Zellsaftfraktion aufbrauchen. Die Faserfraktion steigt im Zuge dieses Verlustes relativ an. Dieser Anstieg ist somit durchaus auch in Indikator für das Verlustgeschehen während der Siloerzeugung. Im Mittel unserer Untersuchungen stieg der Rohfasergehalt um 12 g (2 – 52 g) während der Feldliegezeit, 8 g (2 – 29 g) bei der Silobefüllung, 14 g (5 – 65 g) im Verlauf des Gärprozesses und 2 g (1 – 13 g) an der Anschnittsfläche durch Nacherwärmung je kg Trockenmasse weiter an. Dies ist bei der Bestimmung des Schnittzeitpunktoptimums zu berücksichtigen. Wer Silagen von maximal 24 % Rohfaser in der Trockenmasse erzeugen will, muss mit spätestens 20 – 21 % Rohfaser im Futteraufwuchs mit dem Schnitt beginnen.

Wie den Schnittzeitpunkt bestimmen ?
Tabellen- und Erfahrungswerte
Im langjährigen Mittel ist der optimale Schnittzeitpunkt auf wenige Tage begrenzt. Die benötigten Wuchstage von Vegetationsbeginn bzw. nach erfolgtem Schnitt bis zum günstigsten Zeitpunkt betragen ca. 30 bis 40 Wuchstage. Der mittlere tägliche Rohfaserzuwachs in der Hauptvegetationsphase des ersten Aufwuchses beträgt bei Futterroggen ca. 8 g, bei Gras 4,0 - 4,5 g, bei Klee 2,5 – 3,0 g und bei Luzerne ca. 4 g je kg Trockenmasse. Doch Vorsicht, man kann hier schnell daneben liegen. Die letzten Jahre zeigten deutlich, welch unterschiedliche Vegetations- und auch Welkbedingungen vorherrschen können, die den optimalen Zeitraum von Jahr zu Jahr verschoben haben.

Wuchshöhe
Auch eine vielgepriesene Methode ist die “Bierflaschenmethode”, d.h. die Schnittreife des Grases ist erreicht, wenn seine Wuchshöhe der Höhe einer stehenden Bierflasche (ca. 26 cm) gleicht. In den letzten Jahren lag die optimale Wuchshöhe zwischen 25 und 40 cm, also wer diese Methode nutzte lag durchaus richtig. Da sowohl die Bierflaschenhöhe variiert als auch die Wuchshöhe sowohl von der botanischen Zusammensetzung des Bestandes als auch von Klima, Düngung und Bodenverhältnissen abhängig sein kann, passt diese Methode eher in die Ertragssicht und weniger in die Qualitätssicht bei der Bestimmung des Schnittzeitpunktes.

Entwicklungsstadiums der Hauptbestandsbildner
Die häufigste Form den richtigen Schnittzeitpunkt zu beschreiben ist die Formulierung des optimalen Entwicklungsstadiums der Pflanzen. Für Gras- und Leguminosenaufwüchse wird das günstige Reifestadien für den Schnitt mit Beginn des Ähren- / Rispenschiebens bzw. der Knospe erwartet. Wichtig ist, dass die Hauptbestandsbildner erkannt und ihr Wachstum beobachtet werden kann, da sich der Futterwert unterschiedlicher Gräser und Kräuter beim Übergang von der vegetativen zur generativen Entwicklungsphase sehr verschieden verhält.

Labordaten
Da die Rohfaser, ebenso wie anders definierte Fraktionen von pflanzlichen Gerüstsubstanzen (z.B. ADF oder Lignin), der wichtigste Indikator für die Veränderung des Futterwertes ist, wird die laboranalytische Bestimmung dieser Fraktionen die ggw. genauste Methode zur Fixierung der Futterwertveränderung sein. Für Gras- und Leguminosenaufwüchse wird das Optimum zwischen 21 und 23 % Rohfaser in der Trockenmasse liegen. Die Repräsentativität ist dabei maßgeblich von der Probenahme abhängig. Untersuchungszeiten von maximal 2 Tagen (von der Probenahme bis zum vorliegenden Befund) sind notwendig, um den praktischen Nutzen der laboranalytischen Methode zu begründen.

Schnittzeitpunktprognose
Neben den direkten Indikatoren, die die aktuellen Veränderung der Qualität und des Ertrages von Grasaufwüchsen anzeigen, können auch die Wachstumsbedingungen ermittelt und die Wachstumsrate und Qualitätsveränderung kalkuliert werden. Dabei werden die Daten von mehrjährig durchgeführten systematischen Schnittzeitpunktversuchen erfasst und das Wachstum mathematisch mit Hilfe der Wetterveränderung simuliert. Mit derartigen Prognosen wird das Ziel verfolgt, ähnlich wie bei Wetterprognosen, die Qualitätsveränderung und Ertragsentwicklung von Grasaufwüchsen in Form von Informations- und Ansagediensten den Landwirten zur Entscheidungshilfe anzubieten. Seit 1996 stellt das LfULG ein Informationssystem zur Verfügung, welches die Prognose der Qualitäts- und Ertragsentwicklung des ersten Grasaufwuchses an repräsentativen Standorten des Freistaates beinhaltet. Beginnend mit dem 1. April bis zum 15. Juli werden agrarmetereologische Messdaten an 12 sächsischen Standorten erfasst und über ein Computerprogramm der jeweilige Rohfaserzuwachs und die Ertragsentwicklung kalkuliert. Die aktuellen Prognosen für den Freistaat Sachsen können unter http://www.smul.sachsen.de/lfulg/ abgerufen werden.
Prof. Dr. Olaf Steinhöfel, Köllitsch

Weitere Informationen

Ansprechpartner

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 74: Tierhaltung

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel

Telefon: 034222 46-2200

Telefax: 034222 46-2099

E-Mail: Olaf.Steinhoefel­@smekul.sachsen.de

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 74: Tierhaltung

Frank Püschel

Telefon: 034222 46-2211

E-Mail: Frank.Pueschel@smul.sachsen.de

Webseite: http://www.lfulg.sachsen.de

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