Aktueller Futterrat vom 14.02.2017

Nachfolgend lesen Sie ein Interview zum Thema »Trockengrobfutter statt Silage in der Milchkuhfütterung«

Sie haben im letzten Jahr ein Forschungsprojekt mit dem Thema »Mehr Milch aus sächsischem Gras« abgeschlossen und einen umfangreichen Bericht mit verschiedenen Lösungsansätzen vorgelegt. Ist das geplante Thema des sächsischen Futtertages 2017, wo es überspitzt um den Austausch von Silage durch Trockengrobfutter geht, ein Ergebnis dieser Studien?

Durchaus, die Kombination von Grünland und Rindern ist zunächst unbestritten öffentlich gewollt und wirbt symbolisch für ökologische, naturverbundene und tiergerechte Tierhaltung. Wir haben in dem Projekt sowohl die Hemmnisse als auch die Vorzüglichkeit der Grünlandfutter hinterfragt. Nicht sie sind das Hauptproblem, eher die Tatsache, dass die Silierung der Aufwüchse ein zunehmendes Risiko für die Milchkuhfütterung darstellt. Dies ändert nichts daran, dass die ganzjährige Silagefütterung wesentlich zur Leistungsentwicklung der Rinder in den letzten 20 Jahren beigetragen hat. Erst dadurch gelang es, Milchrindern über lange Phasen große Chargen mit gleichbleibendem Futterwert vorzulegen. Aber hier punktet eher die Maissilage. Der Einsatz von Grassilage stagniert seit Jahren in sächsischen Rationen. Daran konnten auch Fortschritte der Verfahrenstechnik und der Betriebsmittelbereitstellung nicht grundsätzlich etwas ändern. Hohe Konservierungsverluste sowie die Anreicherung mit unerwünschten Fermentationsprodukten erzwingen Einsatzrestriktionen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Überlegungen, welche die Trocknung von Grobfutter nicht ausschließen.

Also zurück zum Heu?

Nein, nicht zurück und keinesfalls von einem Extrem ins nächste. Die konventionelle Heuproduktion auf dem Boden, dem Reuter bzw. auf Kaltbelüftung ist nicht der Weg. Einerseits ist sie viel zu teuer und auch mit Verlusten über 30 % verbunden und andererseits sind die Futterwerte für die leistungsorientierte Milcherzeugung inakzeptabel. Wenn wir heute in der Milchviehfütterung über eine Alternative zur Silage nachdenken, dann geht es um die Anwendung der Warm- und Heißlufttrocknung unter Nutzung günstiger, zumeist alternativer, Energiequellen. Es geht um ein energie- und proteinreiches jung geerntetes, aber voll strukturwirksames, Grobfuttermittel. Für eine Abgrenzung zum Begriff »Heu« wäre der Begriff »Trockengrobfutter« besser. Man muss jedoch aufpassen, dass man dies nicht mit dem klassischen Trockengrün in gemahlener bzw. pelletierter Form gleichsetzt. Wir wollen die volle Strukturwirksamkeit erhalten, d.h. getrocknetes Lang- oder Häckselgut über 3 cm Partikellänge.

Jetzt verstehe ich zwar, dass diese Art zu trocknen weniger Verluste provoziert, aber ist damit schon ein Paradigmenwechsel begründet?

Die Verlustreduzierung wäre schon ein unschlagbares Argument. Wir könnten 20 bis 30 %-Verlustpunkte sparen, dies sind immerhin 4 bis 6 Cent je kg Milch. Es gibt aber noch einen wichtigen Punkt, das ist die Proteinqualität. Durch proteolytische Abbauprozesse während der Silierung sinken der Anteil an Reineiweiß und damit auch der UDP-Gehalt deutlich. Dies ist in der aktuellen Diskussion um Eiweißfuttermittelimporte und den Ersatz von GVO-Futtermitteln besonders kontraproduktiv. Durch den Einsatz von getrocknetem Grünfutter könnten diese Nachteile verhindert werden. Im Gegensatz zur Silierung bleibt bei der Trocknung der Reineiweißanteil in getrocknetem Grünfutter weitestgehend erhalten. Gleichzeitig werden die unerwünschten Abbauprodukte wie Ammoniak, Amine oder Buttersäure durch die Trocknung vermieden. Bei der Erwärmung im Trocknungsprozess kommt hinzu, dass ein Teil des Rohproteins in eine Form umgewandelt wird, die nicht durch Bakterien im Pansen zu Ammoniak abgebaut werden kann.

Das spricht nun endgültig dafür, der Silierung den Rücken zu drehen und zu trocknen, oder?

Ich warnte bereits vor Extremen, so auch hier. Die Kühe brauchen zunächst übers Futter Stickstoff für ihre Mikroben, welchen die Silagen hervorragend liefern können. Aufgrund der pansenphysiologischen Begrenztheit die Energieaufnahme unbändig zu steigern, muss im Hochleistungsbereich jedoch ein Drittel des Proteins aus dem Futterdurchflussprotein kommen. Diese Aufgabe hat man bisher teuren Proteinkonzentraten übertragen. Jedoch auch dieses Rohprotein liefert 60-70 % fermentierbaren Stickstoff. Eine Folge ist, dass in 97 % der sächsischen Milchkuhrationen der letzten 10 Jahre ein deutlicher N-Überschuss nachzuweisen war. Dies ist weder mit Blick auf die Umwelt noch auf die Gesundheit der Kuh vernünftig. Wir brauchen also die Ausgewogenheit, das heißt eine bedarfsgerechte Versorgung mit Stickstoff für die Mikroben und eine gezielte UDP-Ergänzung. Im Sinne der Frage gesagt: Wir brauchen einen gewissen Anteil an proteinreichen Silagen für den Pansen und einen gewissen Anteil Trockengrünfutter für den Darm. Bei vollständiger Umstellung von Silage auf Trockengrünfutter als Grobfuttermittel für die Milcherzeugung muss der Bedarf an fermentierbarem Stickstoff wieder stärker hinterfragt und ergänzt werden. Tut man dies nicht, reagiert häufig die Kuh mit sinkenden Milchfettgehalten und erhöhtem Anteil an Faserbestandteilen im Kot, da den faserabbauenden Pansenmikroben der Stickstoff fehlt.
Das Interview führte der Redakteur der Bauernzeitung, Herr Karsten Bär, mit Prof. Dr. Olaf Steinhöfel vom LfULG aus Köllitsch.

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