Aktueller Futterrat vom 28.02.2019
Mutterkühe mit wenig Futter ausreichend versorgen?
In vielen dürregeprägten Futterbaubetrieben haben wir ein Grobfutterdefizit. Es fehlt an der notwendigen Menge strukturwirksamer Faser, um die Kühe wiederkäuergerecht versorgen zu können. Deshalb ist es verständlich und geboten, dass Sie genau rechnen und die Silage restriktiv zuteilen. Dabei können Sie jedoch nicht durch Kraftfuttermittel, wie Getreide oder Kartoffeln, ausgleichen. Im Gegenteil bei fehlender Struktur und einem Überangebot an fermentierbarer Stärke in den Vormägen, was mit Getreide und Kartoffeln in jedem Fall provoziert wird, kommt es zu Störungen in der Pansenfermentation.
Diese entkrampfen keinesfalls das Versorgungsproblem, sondern sie verschärfen die Probleme noch zusätzlich. Die Tatsache, dass Sie die Abmagerung nur bei einem Teil der Tiere beobachten, deutet auf Probleme bei der Futteraufnahme der Kühe hin. Wenn die Wiederkäuer nicht die gewohnt üppige Futtermenge vor das Maul bekommen, d.h. restriktiv Futter vorgelegt wird, beginnen die natürlichen Verhaltensänderungen. Ranghöhere Tiere werden sofort ihre Stellung einfordern und sehr unnachgiebig und unsolidarisch die gewohnte Futtermenge für sich beanspruchen. Dies kann z.T. sehr martialisch erfolgen, insbesondere wenn noch Hörner im Spiel sind. Die Rangniederen werden abgedrängt und schnell geschwächt. Die Gefahr steigt insbesondere bei einem hohen Tier-Fressplatz-Verhältnis und ohne ausreichend Ausweichfressfläche. Ohne Eingriff der Menschen ist dies für diese Wiederkäuer lebensbedrohlich.
Bei restriktiver Fütterung in der Gruppe müssen Sie zwingend die Futteraufnahme überwachen oder in verschließbaren Fressständen füttern. Um ausreichend ungestörten Fresszeit der rangniederen Tiere zu sichern, müssen die Gitter bis zur Beendigung der Futteraufnahme durch die niederrangigen Rinder geschlossen bleiben. Wenn keine verschließbaren Fressgitter nutzbar sind, müssen Sie über die Fläche verteilt ausreichend viele Fressstellen in größeren Abständen anbieten.
Wenn man Im Grenzbereich der Wiederkäuergerechtheit füttert, spielt die sensible Kontrolle des Fütterungserfolges eine große Rolle. Dies heißt neben täglichen Tierbeobachtung z.B. über Vitalität , Gesundheit, Kondition, Fresslust, Wiederkauen, Liegen, Fluchtverhalten, Aggressivität, Apathie, Rangkämpfe, Kondition, Fell, Augen, Hungergrub), Futterkontrolle über Analytik und Sensorik und sensorische Kotkontrolle über Konsistenz, Faserpartikel. Aufgrund des Winterfells kann das Abmagern bei bestimmten Rassen zum Teil sehr spät erkennbar werden.
Wenn man Mehrkomponenten vorlegen will, sollte auf die Vermeidung von Futterselektion geachtet werden. Ein mehr an Kraftfutteraufnahme verdrängt die Faser in der Aufnahme zwar, steigert aber die Möglichkeit von Pansenfermentationsstörungen. Gleiches gilt für den Erhalt der Strukturwirksamkeit. Eine Vermusung der Faser von Grobfuttermitteln durch Silageentnahme- und Futtermisch- bzw. Verteiltechnik ist kontraproduktiv insbesondere in der aktuellen Situation. Es muss zudem alles getan werden, um das „Wenige“ maximal zu veredeln. Dabei spielt die Minimierung von Futtermittelverlusten eine herausragende Rolle.
Im Mittel provozieren die Betriebe aktuell bei Silagen Trockenmasseverluste von 35 %. Der Schwankungs- und damit erkennbare Einflussbereich liegt zwischen 15 und nahezu 60 %. Der überwiegende Teil der organischen Masse gehen durch Veratmung, Gärungswärme und Auswaschung verloren. Etwa ein Viertel sind mechanische Verluste durch Abbröckeln, Danebenfallen oder Abräumen von Rand- und Deckschichten. Wo der Schwerpunkt liegt ist betriebsspezifisch verschieden. Bis 20 % ist der Verlust tolerierbar. Alles Höhere muss hinterfragt und vermieden werden. 10 %-Punkte Verlust weniger bringen ca. 3 Wochen längere Grobfutterverfügbarkeit. Umgerechnet sind dies immerhin mehr als 1 m³ Silage mit 35 % TM oder 1-2 Quaderballen Stroh je Tier.
Prof. Dr. Olaf Steinhöfel, Köllitsch