Aktueller Futterrat vom 04.09.2018
Rinder im Winter weiden?
Rinder im Winter weiden?
Um die Grobfutterversorgung von Rinder, insbesondere nicht laktierende Rindern, im kommenden Winter zu sichern, wird jede Alternative hinterfragt. Die Möglichkeit, diese Rinder im Winter auf die Weide zu bringen, erscheint paradox, ist aber unter bestimmten Voraussetzungen nicht ganz unsinnig. Im BMBF-Forschungsvorhaben »Elbeökologie« wurden am Standort Köllitsch Untersuchungen zum Futterwert von Winterweiden für niedertragende Mutterkühe durchgeführt.
Die Untersuchungen fanden auf 2 Flächen (Dauergrünland-Standweide mit 0,9 GV / ha) statt. In 7-wöchigem Rhythmus über die Wintermonate wurden Futterproben mit einem Frontmäher geschnitten und im Labor untersucht. Die Untersuchungen fanden über 2 Winterperioden statt. Neben der laboranalytischen Prüfung wurden die gewonnenen Schnittproben im Standardverdauungsversuch mit Hammeln getestet. Ergebnis: Wie nicht anders zu erwarten, der nach Vegetationsende verbleibende Weiderest besteht aus abgestorbenen Pflanzenteilen, die durch sehr hohen Faser- und Lignin- sowie durch geringe Protein-, Energie- und Mineralstoffgehalte gekennzeichnet waren. Die Verdaulichkeit der organischen Masse lag im Mittel der Nutzungstermine zwischen 40 und 60 %, die mittleren Energiedichten bei 3,2 bis 4,9 MJ NEL je kg Trockenmasse.
Dies ist als Futterbasis für unsere Nutztiere grenzwertig, es deckte rechnerisch im Extremfall nicht mal den Erhaltungsbedarf. Aber erstaunlich war, dass, sieht man von etwas Körperenergiemobilisation ab, die Rinder blieben fit und zeigten keinerlei Anzeichen für eine existenzbedrohende Unterversorgung oder gar Krankheitsanzeichen. Dies hätte zur sofortigen Zufütterung von energiereichem Grobfutter bzw. der Stallfütterung geführt. Warum war dies so? Entscheidend für Bedarfsdeckung und Fütterungserfolg ist nicht das Futter was wir ernten, sondern das Futter was die Rinder tatsächlich fressen. Die Rinder hatten ausreichend Fläche zum Grasen und sind nachweislich mehr als doppelt so viele Schritte gelaufen um einen Bissen zu realisieren als in der Vegetationszeit. Dies hat interessanterweise eine ethologische Studie gezeigt, wo jede Bewegung der Tiere per Video überwacht wurde.
Zwischen der rechnerisch ermittelten Bedarfsdeckung und der tatsächlichen Leistung der Rinder wurde in unseren Untersuchungen ein deutlicher Unterschied nachgewiesen. Dies lag daran, dass die Rinder nicht den kompletten Aufwuchs fressen, sondern das Futter auf der Weide gerichtet selektieren. Um zu ermitteln, welchen Futterwert das von den Rindern tatsächlich gefressene Futter aufwies, wurde die Verdaulichkeit des »gefressenen« Futters über eine Schätzmethode, die sogenannte Kotstickstoffmethode, kalkuliert. Eindrucksvolles Ergebnis: der über die Kot-N-Methode ermittelte Futterwert des »verzehrten Futters« unterschied sich deutlich von dem des »geschnittenen« Weidefutters. Die kalkulierte Verdaulichkeit der organischen Masse bewegte sich zwischen 60 und 81 %. Der energetische Futterwert lag fast immer über 6 MJ NEL je kg Trockenmasse. Dies kann mit einer ausreichend hohen Möglichkeit zur Futterselektion durch die Rinder begründet werden. Wenn man den Rindern somit genügend Selektionsmöglichkeit einräumt, könnte in der schneefreien Zeit das »Winterweiden« durchaus interessant sein.
Schöner Mitnahmeeffekt wäre die Einsparung von Einstreustroh im Stall, obwohl auch auf Winterweiden eine eingestreute Liegefläche an einem windgeschützten Standort durchaus angebracht ist. Nicht ganz unbedeutsam dabei ist sicher, wie die Grünlandfläche in den Winter geht.
Prof. Dr. Olaf Steinhöfel, Köllitsch