Aktueller Futterrat vom 11.03.2019
Pressschnitzel adäquat ersetzen?
Pressschnitzel sind ein hervorragendes Futtermittel. Durch die Entscheidung, die Zuckerfabrik in Brottewitz nach der Kampagne 2019/20 zu schließen, ist es in vieler Hinsicht ein Verlust, wenn man die Pressschnitzel nach 200-jähriger Tradition aus der Palette der Futtermittel streichen müsste. Mit den Schnitzeln würden zudem ja auch vielerorts die letzten Hackfrüchte aus der Fütterung verschwinden. Viele Einrichtungen haben in den letzten Jahrzehnten an der Perfektionierung von Silierung, Stabilisierung und ganzjähriger Verfütterung frischer Schnitzel geforscht. Erst letztes Jahr haben wir hier in der Bauernzeitung über die Ergebnisse von Köllitscher Versuchen mit Brottewitzer Pressschnitzeln berichtet. Es ging zum einen um die erstmalig in Deutschland geschaffene Möglichkeit der Einbringung von Konserviermitteln in einer Zuckerfabrik und zum anderen um die Silierung von Schnitzeln in Wickelballen für Kleinabnehmer.
Nun kann man sicher grundsätzlich postulieren: Nutztiere haben keinen Bedarf an Futtermitteln sondern an Energie und Nährstoffen. Aber Pressschnitzel sind gerade im Grenzbereich der Wiederkäuerfütterung eine echte Alternative zum Getreide bzw. Mais. Sie liefern nicht schnell fermentierbare Stärke sondern pansenfreundliche Pektine. Pressschnitzel haben mit über 7,5 MJ NEL je kg Trockenmasse auf der einen Seite Konzentratstatus. Aufgrund der pansenschonenden Energiefreisetzung und dem hohen Fasergehalt (> 200 g Rohfaser je kg TM) besitzen sie andererseits aber auch Strukturwirksamkeit.
Denken wir zunächst positiv. Es ist ja aktuell kein grundsätzliches Ende der Zuckerrübenverarbeitung eingeläutet. Auch Brottewitz wird in diesem Jahr noch am Markt sein. Es wird demnach weiter Schnitzel geben. Wenn dann die Zuckerfabrik weiter wegrückt, sollte man prüfen, inwieweit der Transport aus der am nächsten liegenden Zuckerfabrik noch preiswürdig ist. Hier sollte man auch die Trockenschnitzel wieder in die Kalkulation mit einbeziehen. Es ist berücksichtigen, dass neben dem Transport auch die gestiegene Nachfrage und der Angebotsrückgang die Preise verändern kann. Hier könnten zeitige Kontrakte durchaus sinnvoll sein.
Die zusätzliche „Reisezeit“ der Pressschnitzel von der Fabrik zum Landwirt ist jedoch für die Silierung und den Futterwert nicht unbedenklich. Anfahrten über 200 km bei Außentemperaturen von unter 10 °C gelten bereits als grenzwertig. Pressschnitzel verlassen die Fabrik mit etwa 50°C und werden dort auf Schütthaufen vorgestapelt. Der Temperaturverlust im Stapel hält sich aufgrund der Isolierung und der permanenten Nachlieferung in Grenzen. Die frischen Schnitzel müssen unbedingt warm, d.h. mit mindestens 40 °C innerhalb von maximal 24 Stunden luftdicht verpackt sein. Die hohen Einlagerungstemperaturen sind notwendig, um den hitzetoleranten Milchsäurebakterien eine Chance zu geben. Mit der Verladung und auf dem Weg zum Silierort findet bereits eine nennenswerte Abkühlung statt. Abgekühlte Pressschnitzel lassen sich nicht mehr silieren, sie verderben sehr schnell. Dies kann am schmierigen Gefüge und am Verlust der krümeligen Struktur der Schnitzel nachgewiesen werden. Die Pektine werden abgebaut. Wenn Anlieferungstemperaturen von über 40 °C nicht mehr garantiert werden können, wäre dies ein Ausschlusskriterium.
Wer auf die Zuckerrüben in der Fütterung nicht verzichten will, kann auch über den direkten Einsatz von Zuckerrüben in der Fütterung nachdenken. Hierzu sind in den letzten Jahren einige Versuche gelaufen. Aufgrund der begrenzten Haltbarkeit frischer Rüben, muss diese entweder in Mieten einlagern oder Silieren. Die Mietenlagerung ist bis März begrenzt. Es sollten Lagertemperaturen unter 10°C mit bzw. ohne Zwangsbelüftung eingestellt werden. Die Atmung ist aber auf einem gewissen Niveau aufrecht zu erhalten, weil sonst Verderb infolge anaeroben Stoffwechsels und verstärkter mikrobieller Tätigkeit stattfindet. Der hohe Zuckergehalt verringert die Empfindlichkeit gegenüber Frost und mechanischen Verletzungen. Als optimale Lagerungsbedingungen gelten Lagerungstemperaturen bei Zuckerrüben 0 bis 4 °C. Die Silierung zerkleinerter Rüben ist aufgrund der hohen Abgabe von Zellsaft de facto gar nicht möglich. Mit Mischsilagen aus Rüben und Silomais in bestehenden Fahrsilos werden schon seit Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch trockenere Grasschnitte konnten durch die Einmischung von Zuckerrüben energetisch aufgewertet werden. Es bewirkt eine Entzerrung von Arbeitsspitzen durch die getrennten Arbeitsketten und ermöglicht es z.T. minderwertige Grassilagen erfolgreich aufzuwerten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch hier hohe Saftmengen entstehen, welche entsprechende bauliche Maßnahmen zum Wasserschutz erfordern.
Prof. Dr. Olaf Steinhöfel, Köllitsch