09.10.2024

Gewinnung von gebietseigenem Saatgut: Ein Besuch auf dem Zeidlerhof

© J. Deichmann

Vor Kurzem hatten wir die Gelegenheit, den Ökobetrieb »Zeidlerhof« von Johannes Kühnel zu besuchen, der idyllisch außerhalb von Wilthen liegt. Dort konnten wir mit Johannes ein spannendes Projekt besprechen, das in der Landwirtschaft eher unüblich ist: die Produktion von gebietseigenem Wiesensaatgut. Während viele Betriebe auf Reinkulturen setzen, geht Johannes einen anderen Weg. Er will die natürliche Vielfalt seiner Wiesen nutzen, um seine Saatgutmischung direkt von den extensiven Grünlandflächen des Zeidlerhofs zu ernten und zu vermarkten. Dieses innovative Vorhaben könnte einen wichtigen Beitrag zum Erhalt regionaler Ökosysteme leisten.

Gebietseigenes Saatgut

Die Vorgabe, gebietseigenes Saatgut zu verwenden, existiert seit dem 1. März 2020 in Deutschland. Seit diesem Datum ist es gesetzlich vorgeschrieben, bei der Wiederherstellung, dem Ausbau und der Neuanlage von Grünland in der freien Natur gebietseigenes Saatgut zu verwenden. Diese Regelung wurde im Rahmen der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) festgelegt, um die genetische Vielfalt und die Anpassungsfähigkeit von Pflanzenarten zu fördern sowie die Biodiversität zu erhalten. Die Umsetzung dieser Vorgabe soll dazu beitragen, dass sich die Pflanzen besser an die jeweiligen Standortbedingungen anpassen und die heimischen Ökosysteme gestärkt werden.

Leider fehlen für das Ursprungsgebiet von Johannes Kühnel, das Erz- und Elbsandsteingebirge, bisher entsprechende Saatgutmischungen. Stattdessen wird oft »Sportrasen« ausgesät, was für die Natur problematisch ist, da diese blütenarmen Flächen keine Nahrung für Insekten bieten.

Der Wert der genetischen Vielfalt

Das Thema »gebietseigenes Saatgut« hat für die genetische Vielfalt von Pflanzenarten eine enorme Bedeutung. Pflanzen einer Art weisen an verschiedenen Standorten unterschiedliche genetische Merkmale auf. Sie sind angepasst an die jeweiligen Umweltbedingungen. Manche Linien einer Art vertragen z.B. Trockenheit besser als andere.

Mischt man jedoch Pflanzen aus verschiedenen Regionen, entsteht ein genetischer »Einheitsbrei«, der die Fähigkeit der Pflanzen, auf Umweltveränderungen zu reagieren, erheblich reduziert. Das könnte im schlimmsten Fall zum Aussterben bestimmter Arten führen. Daher ist es von großer Bedeutung, die genetische Vielfalt der Pflanzen zu erhalten und gebietsheimisches Saat- und Pflanzgut zu verwenden.

Bestandsaufnahme und erste Schritte

Zusammen mit der Abteilung Naturschutz des LfULG besuchten wir die Wiesen des Zeidlerhofs, um eine Bestandsaufnahme der vorkommenden Kräuterarten durchzuführen. Die Wiese beeindruckte mit einer Vielfalt von 26 verschiedenen Kräuterarten. Dennoch stellte sich heraus, dass es an Pflanzendichte mangelt. Für die Produktion von artenreichem Wiesensaatgut ist es wichtig, dass sich die Kräuter in ausreichender Menge ausbreiten, um größere Mengen an Saatgut ernten zu können.

Ein solches Projekt ist in Sachsen bisher einzigartig. In der Regel konzentrieren sich Saatgutproduzenten auf die Vermehrung von Einzelarten in Reihen. Die Wiesenernte hingegen ist im Wildkräutersaatgutgeschäft eher unüblich. Umso spannender ist es, Johannes Kühnel dabei zu unterstützen, dieses Vorhaben zu realisieren und so auch anderen Landwirten die Möglichkeit zu bieten, gebietseigenes Saatgut zu produzieren.

Erste Tests und Zukunftsaussichten

Johannes hat bereits begonnen, auf seinen Grünlandflächen verschiedene Bearbeitungsmethoden zu testen, um den Kräuterreichtum zu erhöhen. Dazu gehören unter anderem der Schröpfschnitt im Mai, eine zeitige Ernte im Juni ohne weiteren Schnitt und das hohe Mulchen zum Zurückdrängen der Gräser. In den kommenden Monaten wird es spannend zu beobachten, welche Methode die besten Ergebnisse erzielt und wann der optimale Erntezeitpunkt der Fläche erreicht ist. Zur Vermarktung des Saatgutes will Johannes sein Saatgut bei den Landesämtern für Straßen und Verkehr, den unteren Naturschutzbehörden, den Landkreise und Landschaftsarchitekturbüros bewerben.

Das Projekt verspricht, nicht nur für den Zeidlerhof, sondern für die gesamte Region von großer Bedeutung zu sein. Es ist ein Schritt die Artenvielfalt als auch die genetische Vielfalt zu fördern. Wir sind gespannt auf die nächsten Schritte und hoffen, dass dieses Projekt ein Vorbild für andere Landwirte in Sachsen wird.

Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau - Praxislabor Biodiversität

Jennifer Deichmann

Telefon: +49 352 4263189-03

E-Mail: Jennifer.Deichmann@smekul.sachsen.de

Jennifer Deichmann

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