Veranstaltung: Luzerne-Umbruch
Eine wesentliche Herausforderung ist es für Ökobetriebe, durch zielgenaue Bewirtschaftungsmaßnahmen den mit Leguminosen in den Boden gebrachten, wertvollen Stickstoff zum richtigen Zeitpunkt der Kulturpflanze zur Verfügung zu stellen und das Risiko einer Auswaschung zu mindern. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Herbstumbruch von Leguminosen in beiderlei Hinsicht kontraproduktiv ist.
Frühjahrsumbruch mit Fragen und Problemen?
Der Frühjahrsumbruch ist in der Praxis mit einigen ungewissen Kenngrößen gespickt, die nicht nur den »traditionellen Herbstpflüger« erst mal abschrecken:
- Welches Zeitfenster habe ich im Frühjahr, den Umbruch durchzuführen, sprich: wann kann ich mit meinen Geräten auf das Feld, ohne (Verdichtungs-)Schaden zu verursachen?
- Mit welchen Geräten ist ein zuverlässiges Abschneiden und somit die Verhinderung des Durchwachsens in die Folgekultur abgesichert?
- Welche minimalen Arbeitstiefen reichen dafür aus, um die Mineralisierung im Boden nicht zum unpassenden Zeitpunkt anzukurbeln.
- Profitiert das erst im Herbst nach Umbruch und Sommerung etablierte Wintergetreide nachhaltig auf die durch die Leguminose bereitgestellten Nährstoffe und entwickelt es die geforderten Qualitätsparameter in ausreichendem Maße?
Diesen Fragen näherte sich die am 03.03.2023 auf dem Wassergut Canitz stattfindende Wissenstransfer-Veranstaltung, die gleichzeitig der Startschuss für den durch das Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau durchgeführten Versuch ist.
Vor der Maschinenvorführung versammelten sich über 50 Interessierte im wunderschön hergerichteten Saal vom »Gasthaus zum Reußischen Hof« zu Tallwitz. In der von Frau Dr. Lena Weik moderierten Veranstaltung stellte zunächst Dr. Bernhard Wagner den Betrieb Wassergut Canitz GmbH vor.
Wasserwirtschaft mit Weitsicht
Bereits 1907 kauften die »Väter der Stadt Leipzig« Güter, um auf die Landnutzung der Wasserfassung Canitz Einfluss zu nehmen. Ebenso frühzeitig erkannten die Leipziger Wasserwerke die Vorzüge des ökologischen Landbaus und handelten konsequent, indem Sie bereits 1990/91 auf Ökologischen Landbau umstellten und später die Wassergut Canitz GmbH als eigenes Tochterunternehmen gründeten. Der logische Ansatz des Wasserversorgers und –vorsorgers: Besser ist, wenn Pflanzenschutz- und Düngemittel gar nicht erst anfallen, um kostenintensiv herausgereinigt werden zu müssen. Mit Erfahrungen von über dreißig Jahren Ökolandbau darf das Wassergut Canitz GmbH als Leuchtturm in der östlichen Öko-Szene bezeichnet werden.
Auf ca. 1.000 ha (einschließlich Wald, 638 ha Ackerland und 158 ha Grünland, auch Unland, Versuchsfläche, Agroforst, Feldgehölze und Hecken etc.) bietet sich ein breites Anbau-Spektrum einschließlich Feldgemüsebau (Bohne, Erbse, Zwiebel & Co.), welches den wasserschutzgerechten ökologischen Anbau in bester Praxis umsetzt. Zusätzliche Herausforderungen inbegriffen: Fast alle Flächen liegen in den Trinkwasserschutzzonen I bis IIIb, zudem teilweise im Landschaftsschutz-, FFH- und Europäischen Vogelschutzgebiet. Und trotzdem, auch hier muss sich der Ökolandbau ökonomisch und am Markt beweisen, schwarze Zahlen zu schreiben ist gesetztes (und gehaltenes) Ziel, wie Dr. Wagner betont.
Eine 8-feldrige, nitrataustragsreduzierende Fruchtfolge wird ebenso vorgestellt, wie auch andere Systeme, die beweisen, dass hier in Kreisläufen gedacht wird: Dinkel-Spelz-Einstreu im Jungrinderstall lassen die Rinder blitzblank ausschauen. Über die Nutzung der entwickelten Wärme des dort entstandenen Kompostes wird bereits nachgedacht. Weiterhin: Agroforst nebst thermischer Nutzung, Transfer-Mulch und angewandte Minimalbodenbearbeitung werden auf Praxis- und Wasserschutztauglichkeit getestet.
Die Auswertung erfolgt sorgfältig und wissenschaftlich. Spätestens bei der Vorstellung von Saugplattenanlage und Boden-Tiefenprofilen, Diagrammen zu Bodenfeuchte, Bodenchemie und kulturartenbezogenem Wasserverbrauch nebst Sickerwassermengen war den Teilnehmern klar: Wir haben es mit einem ambitionierten Profi im Bereich Wasserschutz zu tun. Die Trendumkehr der gemessenen Nitratkonzentration im Rohwasser gibt dem konsequenten Handeln der Stadtväter und WasserVORsorgern Recht: Ökolandbau erbringt gesamtgesellschaftliche Leistungen, die auf den ersten Blick schwer zu monetarisieren, für die Wasserversorger aber Gold wert sind. Mit eindrücklichen Darstellungen zum Wasserfußabdruck von diversen Lebensmitteln und anschaulich vorgetragenen Erfahrungsberichten, auch neuen Problemstellungen, schloss Dr. Wagner seinen Vortrag ab.
Hohe (unproduktive) N-Mineralisierung nach Herbstumbruch
Im Anschluss stellte Frau Kerstin Großner, im Öko-Kompetenzzentrum zuständig für den Wasserschutz, einen Versuch am Lehr-und Versuchsgut Köllitsch vor, der die Stickstoffdynamik im Boden der Herbst- und Frühjahrsumbruchsfläche vergleicht.
In der Elbaue mit sandigem Lehm/Lehm und mit ausgeprägter Vorsommertrockenheit vertritt der Versuchsstandort Gegebenheiten, die infolge des Klimawandels für viele Betriebe von Interesse sind.
Anschließend wird der Versuch mit 6-feldriger Fruchtfolge (einschließlich zwei Jahre Luzerne) vorgestellt, welcher bereits seit 2017 durchgeführt wird. Neben der Stetigkeit des Versuches besonders bemerkenswert, dass quasi jedes Fruchtfolgeglied auf einer Parzelle sichtbar ist und die Kulturen die Versuchsfläche kontinuierlich in Jahresfolge durchlaufen. Im vorliegenden Versuch wurden die Parzellen hälftig geteilt und im Herbst bzw. im Frühjahr gepflügt. Der Pflugeinsatz und die Saatbettbereitung erfolgten einheitlich, der Maisaussaat schloss sich Winterweizen und Hafer an. Anhand der flankierenden Nmin-Erfassung stellte Frau Großner heraus, dass nach dem Herbstumbruch zwischen Dezember und März eine erhebliche Menge an Stickstoff im Boden mineralisiert wird, die zu diesem Zeitpunkt auch von einem Wintergetreide nicht abgenommen werden kann und zunehmend in untere, für die Kulturpflanze nicht erreichbare Bodenhorizonte abwandert (siehe Präsentation). Der Stickstoff ist somit für den Landwirt verloren und geht, je nach Bodenart, Bodenaufbau und Mikroorganismen, in unterschiedlichem Tempo in tiefere Schichten und ins Grundwasser über.
Möglichkeiten der Abhilfe:
- eine schnellwachsende »aufnehmende« Zwischenfrucht, wenn der Herbstumbruch zeitig genug war, um diese zu etablieren. Nachteil: Entzug von Wasser, welches der Folgekultur fehlt und eine Grundwasserneubildung beeinträchtigt. Die Höhe der Zwischenfrucht (hohe Verdunstung durch Pflanze) und der Bedeckungsgrad (niedrigere Verdunstung aus dem Boden) spielen hier eine stark beeinflussende Rolle.
- der Herbstumbruch erfolgt so spät, dass kühle Temperaturen die Mineralisation eindämmen. Risiko: Die späten Zeitfenster der Bearbeitung setzen eine hohe Aufmerksamkeit des Landwirtes bezüglich Wetterentwicklung und Bodenbelastbarkeit voraus.
Heute im Fokus: der Frühjahrsumbruch, der ähnliche Kompetenzen des Landwirtes wie der späte Herbstumbruch erfordert und manchmal auch etwas Glück dazu. Frau Großner betonte abschließend, dass es hier keine Patentrezepte gibt und stattdessen ein stetiger Abwägungsprozess hinsichtlich Boden, Klima und letztlich technischen Gegebenheiten stattfinden muss. Die Effizienz der Stickstoffnutzung sollte aber allemal Motivation sein, traditionelle Wege zu überdenken.
- Stickstoffmineralisation nach Leguminosen-Umbruch (*.pdf, 2,89 MB) Kerstin Großner, Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau, LfULG
Nacherntemanagement von stickstoffreichen Vorfrüchten
Über Erfahrungen zum Nacherntemanagement von stickstoffreichen Vorfrüchten referierte Marc Büchner, AgUmenda GmbH Leipzig, zuständig für die Beratung von konventionellen und Biobetrieben im landwirtschaftlichen Gewässerschutz. Einführend erläuterte er die Zusammenhänge der N-Dynamik im Boden. Demnach haben Bodentextur, Klima und Bewirtschaftung entscheidenden Einfluss auf die Stickstoffmineralisierung.
- Die natürliche Bodentextur beeinflusst durch Anteile von Sand, Schluff oder Ton maßgeblich die im Boden vorhandene Luftleitfähigkeit. Eine hohe Luftleitfähigkeit führt zu stärkerer Mineralisierung.
- Die Klimafaktoren:
- Wasser ist für die Umsetzungsprozesse notwendig und beschleunigt diese,
- eine hohe Temperatur trägt entscheidend zur Umsetzung von organischer Masse und damit einer Nmin-Erhöhung bei.
- Die Bewirtschaftung, gemeint ist die Bodenbearbeitungsintensität, bringt Luft in den Boden und stimuliert so die Bodenlebewesen zur Umsetzung von Humus in Bodenmineralien. Humusabbau ist die Folge.
Anhand von Untersuchungen kann u.a. eindeutig die Abhängigkeit der Nmin-Gehalte im Boden bis 90 cm von der Bearbeitungsintensität nach Winterraps nachvollzogen werden. In der Darstellung der Korrelation von N-Düngung mit Kornertrag, Rohprotein und N-Entzug durch die von AgUmenda praktizierte Methode »Düngefenster« (Bereiche mit verringerter Nährstoffgabe, hier: bei Weizen nach Luzerne) und Vergleich der abschließenden mechanischen Bekämpfung des nitratreduzierenden Rapsaufwuchses wird gleichsam auf die für konventionelle Betriebe wichtigen Einschnitte der glyphosat-freien Bewirtschaftung vorbereitet. In der Ableitung für die Beratung zum landwirtschaftlichen Gewässerschutz stehen die Themen Fruchtfolgeeffekte, teilschlagspezifische Bodenunterschiede und bessere standort-u. fruchtartenbezogene Düngebedarfsermittlung verstärkt im Fokus.
Nach einem Standortwechsel auf das Versuchsgelände hatten die vier Maschinen bereits Aufstellung genommen. Die fachkundige Moderation übernahm Lukas Schmidt aus unserem Öko-KPZ, der den Betriebsleiter Dr. Bernhard Wagner sowie die Vertreter der Landmaschinenhersteller gekonnt über Vor-und Nachteile der Geräte interviewte.
Erster Kandidat: der allseits bekannte Pflug (hier: „Nova Plus“, sechsscharig, Volldrehvariante) aus dem Hause Pöttinger verrichtete seine Aufgabe zuverlässig und wie erwartet: Bei 20 cm Arbeitstiefe drehte er die auf ca. 7 cm geschnittene Luzerne vollständig um. Im Ergebnis ragten die luzernetypisch langen Pfahlwurzeln in die Höhe. Dr. Wagner, befragt nach den Konsequenzen im Bearbeitungsverlauf, erklärte, dass dies u.a. genau die Beweggründe für die Suche nach flach arbeitenden Alternativen seien, da die Luzerne trotz vollständigen Umdrehens noch immer in der Lage sei, wieder auszutreiben. Dies kann spätestens beim Drusch der Folgefrucht Probleme bereiten. Der Arbeitsgang Pflügen hinterließ aber ein insgesamt sauberes und gleichmäßiges Arbeitsbild.
- Nacherntemanagement von stickstoffreichen Vorfrüchten (*.pdf, 6,17 MB) Marc Büchner, AgUmenda GmbH
Der mit 7 km/h gesteuerte Treffler-Grubber (TG 500) schneidet die Luzerne durch überlappende Schare flach und meist zuverlässig ab. Laut Treffler-Berater Werner Pux können die einzeln am Rahmen befestigten Schare bei starker Belastung bis 8 cm flexibel nach hinten ausweichen. Für eine flache Nachbearbeitung der entstehenden Brocken empfiehlt Herr Pux Federzahnegge mit Schmalscharen.
Die Alpego-Bodenfräse (Inversa IZ) bearbeitete mit 4 cm Arbeitstiefe die vorgesehene Teilfläche. Die an einem Rotor befestigten Messerwerkzeuge schnitten die Luzerne nicht vollständig ab und hinterließen teilweise Kämme, auch konnte der exakte Anschluss an bereits bearbeitete Teilfläche nicht immer umgesetzt werden.
Durch Sebastian Kucka wurde der Geohobel der Fa. Rath/Österreich vorgeführt. Diese fräsenartige Maschine, mit dick verstärkten Hobelmessern (überlappend angeordnete, leicht gekrümmte Flügelschare, siehe Foto) arbeitete sich kraftvoll durch den Boden und ist in der Lage, auch hochgewachsene Zwischenfrüchte zerkleinert in einem Arbeitsgang in den Boden einzuarbeiten, wie Herr Kucka in den Erläuterungen seine Begeisterung einfließen ließ. Das Arbeitsergebnis glänzte mit vollständig abgetrennten Luzernepflanzen, die flach in die Oberfläche eingearbeitet waren. Einzelne grobe Bodenklumpen müssen aber auch hier noch im Nachgang bearbeitet werden.
Bei kühlen Temperaturen und nach einigen Fachgesprächen klang die Veranstaltung am frühen Nachmittag aus. Der Versuch läuft weiter und wird begleitet durch kontinuierliche Nmin-Beprobungen und Erhebung weiterer Parameter im Vergleich der Geräte. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse und werden diese auf unserer Internetseite veröffentlichen.