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Fachtreffen »Wertschöpfungskette Backweizen in Sachsen« am 03. Juni 2024 in Dresden

 
Dr. Marsch vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie begrüßt die Teilnehmenden
Dr. Mario Marsch vom LfULG begrüßt die Teilnehmenden.  © LfULG/A.Hoppe

Im Spannungsfeld zwischen Stickstoffdüngung, Gewässerschutz und Wirtschaftlichkeit wird es für die Landwirte immer schwieriger ausreichende Weizenqualitäten in der Region zu erzeugen. Um die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern, braucht es die gesamte Wertschöpfungskette.

Deshalb hatte das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zum »Fachtreffen Wertschöpfungskette Backweizen« eingeladen, an dem 60 Akteure der Wertschöpfungskette teilnahmen. Im Rahmen der Veranstaltung wurden Probleme, Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze dargestellt und diskutiert.

Welche innovative und traditionelle, aber auch kulinarisch interessante Ideen es bei den Brot- und Backwaren gibt, zeigte die Vielfalt auf dem Verkostungsbuffet.

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    Wie regional is(s)t Sachsen?

    Das Bild zeigt zwei Kreisdiagramme die die verschiedenen Sortimente vom Lebensmitteleinzelhandel und Bäckereien gegenüberstellen © AMI GmbH

    Brot- und Backwaren aus Sicht der Verbraucherforschung

    Thomas Els von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft mbH stellte Ergebnisse aus der aktuellen sächsischen Verbraucher- und Marktstudie vor.

    Nach wie vor wirken sich Inflation und Unsicherheit infolge von Krisen und Kriegen auf den Lebensmitteleinkauf aus. 71 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher aus Sachsen achten bei der Lebensmittelauswahl darauf, dass es preiswert ist. In der Studie aus dem Jahr 2018 waren es 59 Prozent.

    Trotzdem gewinnen regionale Lebensmittel weiter an Bedeutung und stehen für Frische, kurze Wege, Saisonalität und Unterstützung der heimischen (Land-)Wirtschaft. Bei Brot- und Backwaren geben 73 Prozent der Befragten an, dass sie »immer« oder »oft« gezielt regionale Lebensmittel einkaufen.

    Die Bäckereien in Sachsen genießen einen hohen Stellenwert. Laut GfK Panel Services kauften im Jahr 2023 die privaten Haushalte in Sachsen 40 Prozent der Menge an Brot und frischen Backwaren beim Bäcker. In Deutschland waren es 31 Prozent.

    94 Prozent der in der Studie befragten Bäckereien bejahten, dass das Mehl/Getreide (zumindest zum Teil) aus Sachsen stammt.

    Zum Schluss stellte Thomas Els die Brot-Sortimente im Lebensmitteleinzelhandel und in den Bäckereien in Sachsen gegenüber. Während beim Lebensmitteleinzelhandel das Toastbrot dominiert, ist es in den Bäckereien das Roggenmischbrot.       

    Weizen aus stickstoffreduziertem Anbau – Chance für die Wertschöpfungskette?!

    Das Bild zeigt die Teilnehmenden des Fachtreffens während der Forumsdiskussion
    Dr. Mario Marsch (LfULG) und Heike Delling (AgiL) leiten durch das Diskussionsforum.  © LfULG/A.Hoppe

    In mehreren Impulsvorträgen entlang der Wertschöpfungskette Backweizen schilderten die Akteure, welche Probleme und Herausforderungen sie sehen und stellten mögliche Lösungen aus ihrer Sicht vor. Diese wurden dann im Forum diskutiert und ergänzt. Zudem berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von ihren Erfahrungen und zeigten weitere Lösungsansätze auf.         

    Der Qualitätsweizenanbau spielt in Sachsens Landwirtschaft eine bedeutende Rolle. Er ist für die Landwirte ein wirtschaftlicher Faktor, weil standort- und lagebedingt niedrigere Qualitätsstufen nicht wettbewerbsfähig sind. Zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Qualitätsweizenanbaus unter den gegebenen rechtlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen braucht es deshalb geeignete Maßnahmen und Unterstützung in der landwirtschaftlichen Produktion.

    Daraüber hinaus wird der Aufbau einer regionalen Wertschöpfungskette für Weizen niedrigerer Qualitätsstufen im größeren Maßstab als schwierig angesehen, weil beispielsweise entsprechende Verarbeitungskapazitäten (z. B. in der Keksherstellung) in Sachsen fehlen.

    Chancen bestehen in der Nische, u. a. durch die Nutzung spezieller Sorten, Herstellung von Spezialitäten sowie kreativen und innovativen Produkten.

    Folgende Ansätze wurden u. a. thematisiert:

    • Sortenprüfsystem optimieren (frühzeitige Einbindung von Landwirten und Verarbeitern, verkürzung Zeitdauer, Ertrag als oberstes Kriterium?)
    • Fachinformationen / -beratung zur Unterstützung der Landwirte stärken
    • Landwirtschaftliche Produktion optimieren (u. a. Nährstoffbilanz, Stickstoffmanagement, Fruchtfolge, Anbau von Eiweißpflanzen), neue Entwicklungen und Verbesserungen nutzen
    • Anreize und Belohnungskomponenten für Landwirte schaffen, wenn diese ihr System optimieren (u. a. durch Digitalisierung, Präzisionstechnik, Nutzen von Innovationen); Landwirte, die nachhaltig wirtschaften, z. B. mit Sensortechnik, sollten Vorteile haben    
    • Versuchs-/Projektlaufzeit in der Forschung auf mindestens 5 bis 6 Jahre verlängern
    • Regionale Wertschöpfung (auch) durch Export erzielen
    • CO2-Emmissionen entlang der Wertschöpfungskette reduzieren (Fokus Nachhaltigkeit)  
    • Verarbeitungskapazitäten für Weizen geringerer Qualitätsstufen in Sachsen ausbauen
    • Verarbeitung von Leguminosen (vor Ort) aufbauen und unterstützen
    • Mühlen und Verarbeiter bei Kapazitätserweiterungen unterstützen (u. a. Problem bürokratische Hürden)
    • »Fair Trade« für Wertschöpfungskette in Sachsen mit speziellen Sorten umsetzen, z. B. Rotweizen – Nischenprodukt abseits des Weltmarktes mit fairen Preisen für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette

    Zusammenfassung von Impulsen und Diskussion:

    • Aus Sicht der Sortenzüchtung können hochwertige Weizensorten nicht von heute auf morgen entwickelt werden. Bis zur Markteinführung einer neuen Sorte dauert es 10 Jahre. Die Selektion braucht Zeit. Neue genomische Techniken können diesen Prozess schätzungsweise nur um 2 Jahre verkürzen.
       
    • Lösungsansätze werden in der Optimierung des Prüfsystems, der Stärkung der Fachberatung und der Sortenversuche sowie dem Ausbau der Prüfkapazitäten gesehen.
       
    • Angeregt wurde zudem, sich vom Ertrag als oberstes Kriterium zu lösen, weil dadurch qualitativ gute Sorten von der Prüfung ausgeschlossen werden.
       
    • Sortenzüchter blicken in die Zukunft, denn sie müssen einschätzen, welche Anforderungen an die Sorten in 10 Jahren gestellt werden. Deshalb sollten beispielsweise Landwirte, Bäcker und Verarbeiter frühzeitig in den Entwicklungsprozess der Sorten einbezogen werden.
    • »Rohproteingehalte über 12 Prozent zu erreichen, ist unrealistisch«, so die Einschätzung eines Landwirtschaftsbetriebes mit Weizenflächen im Nitratgebiet. Pauschal 20 Prozent weniger Sticksoff bedeuten weniger Ertrag und weniger Rohprotein. Das führt zu Verlusten an Marktanteilen. Durch den Tierbestandsabbau gibt es zudem auch weniger Bedarf an Futtergetreide. Für Weizen aus stickstoffreduziertem Anbau werden deshalb keine Chancen für die Wertschöpfungskette Backweizen gesehen.
       
    • Eine optimale Nährstoffversorgung muss über Pflanzenanalysen gesichert werden. Die Qualität wird in den ersten 20 Tagen nach der Kornbildung festgelegt. Ein Lösungsansatz ist hier die direkte Blattdüngung während der Kornbildung. 
       
    • Optimierungspotenziale in der landwirtschaftlichen Produktion müssen genutzt werden. Thematisiert und diskutiert wurden
      • Precision farming und Digitalisierung
      • Leguminosenanbau durch Verarbeiter (vor Ort) unterstützen
      • Dauer der Forschungsprojekte in der Landwirtschaft muss länger als 3 Jahre sein
         
    • Um die Herausforderungen zu meistern, wurde die Wiedereinführung der Offizialberatung angeregt.
    • Im Ökolandbau ist Stickstoff ein knapper Faktor und wirkt sich auf Ertrag und Qualität aus. Deshalb müssen die Stickstoff-Ressourcen optimal genutzt und Stickstoff-Verluste soweit wie möglich vermieden werden. Weizen steht beispielsweise an erster Stelle nach den Leguminosen in der Fruchtfolge.
       
    • Die Anforderungen an die Sorten sind eine effiziente Nutzung des gering verfügbaren Stickstoffes und gute Backqualitäten.
       
    • Verkauf und Vergütung erfolgen überwiegend nach Klebergehalt. Er ist entscheidender Faktor und liegt bei Bio im Bereich von 21 bis 28 Prozent entsprechend der jeweiligen Verwendung.
       
    • Auch im Ökolandbau müssen in der Vermarktung die Qualitätsanforderungen der Kunden erfüllt werden.
    • Für den Überschuss an Weizen braucht es ein Ventil. Das ist der Export. Qualitätsweizen wird im Ausland nachgefragt. Die erzielbaren höheren Preise für A/E-Weizen gegenüber B-Weizen bieten Wertschöpfungsmöglichkeiten für die regionale Landwirtschaft.
       
    • Aus der Perspektive des Agrarhandels sollte der Qualitätsweizenanbau durch direkte pflanzenbauliche Anreizsysteme unterstützt werden, um Zusatzstickstoffmengen zu generieren (Stabilisierung, Digitalisierung, innovative Nährstoffformen, platzierte Düngung, vollumfängliche Pflanzenernährung).
    • Ährenwort ist ein erfolgreiches regionales Qualitätsprogramm der Dresdener Mühle und der Saale-Mühle. Die Anbauregionen befinden sich rund um die Mühlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Abnehmer des Ährenwort-Mehles sind die Ährenwort-Bäcker aus der Region. Ein wesentlicher Teil der Arbeit der Mühle besteht in der Sortenbewertung nach Backqualität. Im Rahmen des Programms ist der Anbau bestimmter Sorten gefordert, die von der Mühle empfohlen werden. Zudem ist eine Dokumentation aller agronomischen Maßnahmen durch die Landwirte notwendig. Die Mühle orientiert sich bei der Sortenwahl an der beschreibenden Sortenliste. Wichtig sind für die Auswahl die agronomischen Eigenschaften und die Backeigenschaften.
       
    • Die Weizenerzeugung in Sachsen beträgt rund 1,3 Mio. Tonnen. Die Vermahlungskapazität in Sachen liegt bei circa 0,3 Mio. Tonnen. Hier wird deutlich, dass auch andere Vermarktungswege für Weizen, wie den Export, von den Landwirten genutzt werden müssen.
       
    • Die Dresdener Mühle plant den Ausbau ihrer Kapazität, stößt aber auf bürokratische Hürden. Hier braucht es Möglichkeiten zur Unterstützung.
       
    • Die Dresdener Mühle engagiert sich in mehreren Projekten, u. a.:
      • Durum aus Sachsen für Riesaer Nudeln mit reduziertem Rohproteingehalt
      • Blühflächenprogramm (Biodiversität)
      • EIP-Projekt: Qualitätsweizen unter veränderten Rahmenbedingungen
      • CO2-Fußabdruck - Evaluierung
      • Green Ammonia Dünger
      • SAM – reduzierte PSM-Aufwand durch Drohnen-Fototechnik
      • Biostim – reduzierter Fungizideinsatz
         
    • Der Aufbau einer (regionalen) Wertschöpfungskette für Weizen mit niedrigeren Qualitätsstufen im größeren Maßstab wird als schwierig eingeschätzt, weil in Sachsen die entsprechenden Verarbeitungskapazitäten fehlen.
    • Harry-Brot lässt vom TÜV Rheinland nicht nur für alle Produkte des Unternehmens den Product Carbon Footprint ermitteln, sondern validiert auch jährlich den Corporate Carbon Footprint. Das Ergebnis umfasst alle Emissionen entlang der Wertschöpfungskette. In den letzten 10 Jahren konnte Harry-Brot durch zahlreiche Maßnahmen die CO2-Emmissionen um mehr als 30 Prozent verringern. Güte und Qualität der Produkte wurden beibehalten.
       
    • Bei der Auswahl geeigneter Weizensorten für die Produktion mit weniger Protein - zur Reduktion der CO2-Emmissionen – ist eine bessere Qualität des Feuchtklebers erforderlich.
       
    • Die Landwirte müssen nach Best-Practice-Manier Stickstoff effizient einsetzen. So können gute Backweizenqualitäten, auch für den Export, produziert werden.
       
    • Eine höhere Verarbeitung von Roggen trägt dazu bei, CO2-Emmissionen zu reduzieren.
    • Die Brotvielfalt gibt es, weil verarbeitet wurde, was da ist. Das Handwerk kann damit umgehen, wenn gewisse Mindeststandards erfüllt sind.
       
    • Der Bäcker hat die Möglichkeit über Verarbeitungsstrategien, Rezeptur und Backhilfsstoffe zu agieren.
        
    • Bäcker wollen »spielen« und kreative Produkte entwickeln (jedoch im kleinen Maßstab).
       
    • An den Bäckern soll die Verarbeitung der vorhandenen Rohstoffe nicht scheitern.
       
    • »Fair Trade« für Wertschöpfungsketten in Sachsen mit speziellen Sorten ist möglich, z. B. Rotweizen – Nischenprodukt abseits des Weltmarktes mit fairen Preisen für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette.
       
    • Die Bäcker sind Brückenbauer. Sie sind in der Wertschöpfungskette das Bindeglied zum Verbraucher. Sie können für die Herkunft und spezielle Gegebenheiten, wie beispielsweise rote Gebiete, sensibilisieren. Sie können über die regionale Landwirtschaft aufklären.

    Dokumentation an der Metaplanwand

    Das Bild zeigt auf einer Pinnwand befestigte Kärtchen mit Vorschlägen der Akteure zur Wertschöpfungskette Backweizen © LfULG/S.Mansfeld

    Die im Forum diskutierten Vorschläge und Lösungsansätze wurden auf einer Metaplanwand zur »Wertschöpfungskette Backweizen in Sachsen« festgehalten. Zur besseren Ansicht kann diese unter folgendem Link heruntergeladen werden:

     

    Vielen Dank an alle Akteure, angefangen bei den Vorträgen, über die Moderation bis zum Verkostungsbuffet.

    Der Dank gilt letztendlich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die offene, kritische und konstruktive Atmosphäre, die sich in den Impulsen, Gesprächen und Diskussionen zeigte.

     

    Kontakt - Dr. Mario Marsch

    Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

    Abteilung 2 | Grundsatzangelegenheiten Umwelt, Landwirtschaft, Ländl. Entwicklung

    Dr. Mario Marsch

    Telefon: 0351 2612-2000

    E-Mail: Mario.Marsch@smekul.sachsen.de

    Kontakt - Catrina Kober

    Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

    Referat 21 | Grundsatzangelegenheiten, Öffentlichkeitsarbeit

    Catrina Kober

    Telefon: 0351 2612-2313

    E-Mail: Catrina.Kober@smekul.sachsen.de

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